Mittwoch, 25. August 2021

2 orientalische Rondos

Lange hatte ich seinerzeit in indischen Archiven nach einer Ausgabe der Oriental Music in European Notation von

Chinnaswami Mudalyar aus dem Jahre 1893 gefahndet und konnte sie nun endlich im Internet studieren – Technik und viel Zeit machen es möglich.

Die Ausgabe - Ziel erreicht – ist teilweise unleserlich, aber meist gut zu ergänzen. Wer bereits unter tropischer Sonne an alten Manuskripten oder Büchern gearbeitet hat, wird dies kennen.

Gemäß meiner Gepflogenheit machte ich mich zwecks Kennenlernens daran, sämtliche Kompositionen zu Transkribieren.

Aus dem reichhaltigen Fundus damaliger zeitgenössischer Musizierpraxis – mitsamt kleinster Veränderungen in einem Zeitalter vor Reproduzierbarkeit der Musik mühsam notiert! - ragen 2 Stücke hervor, über die ich im Folgenden wegen ihres besonderen Interesses berichten möchte.-

Es handelt sich um Werke im Raga Do – im ersten Fall ist es C-Dur, im zweiten Fall c-Moll.

Der Form nach könnte man die Beiden als Rondeaux mit Couplets bezeichnen.

Vom musikalischen Inhalt her möchte ich erwähnt haben, dass sie ohne Modulationen auskommen. Mehrfach im Band versucht der Autor, den Unterschied zwischen orientalischen, exotischen, und europäischen Gepflogenheiten zu erklären, und führt verschiedentlich Beispiele an.

Die meisten Stücke des Buches sind für Gesang mit Text in Englisch, Sanskrit, Telugu, oder Latein notiert, einige auch ausdrücklich für 1 bis 2 Violinen. In der Sammlung befinden sich auch etliche religiöse Lieder der berühmten Komponisten Tyagarajaya (1767 – 1847) und Muthuswami Dikshita (1775 – 1835). Beide entstammen der südindischen Schule. Einige Ragamalikas durch mehrere Ragas vergleiche ich mit einem Allegro durch alle Töne, das lange Zeit hindurch Johann Sebastian Bach zugeschrieben wurde, oder ähnlicher Musikalischer Labyrinthe.

Beim 2ten Stück in c-Moll hat es sich der Komponist zum Ziel gesetzt, Phrasen oder Takteinheiten jeweils vorwärts und anschließend rückwärts zu spielen; notiert ist das mit RECTE ET RETRO. Das gilt übrigens auch für die Worte, die in Sanskrit, Latein, und Englisch wiedergegeben sind, was in der Übersetzung den kuriosen Wortwechsel zwischen Adam und Eva ergibt:

(Der erste Mann stellt sich selber der ersten Frau vor)

Latein: EVA, AVE!

English: Madam, I'm Adam!

Diese Kunst des RECTE ET RETRO wurde im Tamil seinerzeit oft angewandt, und artete in kunstfertige Stilblüten aus.



Von der musikalischen Technik könnte man es mit dem Charakterstück L'Einschnitt von Carl Philip Emanuel Bach vergleichen, wo jede neue Phrase mit dem Schluß der vorhergehenden beginnt.

Vom Gehalt her braucht es einen Vergleich mit den Rondos eines Ludwig van Beethoven durchaus nicht zu scheuen.

Aus diesem Grunde arbeite ich an einer Version auch für Clavierinstrumente, um diese seltene Kunst zeitgenössischen Künstlern ans Herz zu legen.

In diesem kurzen Artikel teile ich jedoch nur meine einstweiligen Transkription für Melodieinstrumente mit: Violine, Flöte, Santur, Harmonika …

Die Phrasierung ist eigenwillig, da sie immer auf dem Atem des Gesanges beruht.

Es handelt sich um die #159 und #161, #158 ist ein Beispiel in einem Raga, der F-Dur ähnelt.

Den jeweiligen Notationen voran gehen stets Skalen mit den typischen Wendungen.-

Die TRANSKRIPTION kann hier angeschaut werden.

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