(Einige verspätete Glückwunschworte für
Wilfried und Friederike)
...ich weiss, ich
weiss, es ist inzwischen sehr viel-viel zu spät, um Euch zu Eurer Güldenen noch
aktuell zu kondolieren ... äh ... glückbewünschen zu dürfen.
Ein unglaubliches
Ereignis geschah mit mir, vor Schreckstarre wie gelähmt die ganze vergangene
Zeit inne zu halten; erst jetzt gelangt mein Schreiben endlich zu Euch, völlig
ausser der Zeit, samt meiner Wünsche des Glücks für Euch.---
Also, just an jenem
Tage, da ihr Beide golden Euren Höchsten feiertet, begab es sich, dass ich an
Eurem Glücke innerlich teilnehmend einige Zeilen des Bekundens verfassen und
versenden wollte, sie auch bereits mit Tinte auf's Papier skizziert hatte, um
mich in einer Schaffenspause mit diesem Skizzenblatte an die frische,
eiseskalte Luft zu begeben, die an jenem Tage unsere Stadt durchwebte.
Hände und den Zettel
in den Taschen vergraben, wollte ich eigentlich nur eine kurze Runde durch den
vereisten Tiergarten wandern, um eventuell in einem versteckten Kaffeehaus ein
paar frische Notizen dazu überdenken.
Es war ein
bitterkalter Tag, doch nach etlichen Wochen des winterlichen Graudunkelseins
schien zum ersten Mal im neuen Jahr die Sonne.
In Berlin mit seiner
verrückten Menschenmasse hat so ein simples Naturereignis ungeahnte Folgen:
Während wegen der frostig reinen Luft ungewohnt wenige Menschen den
gefährlichen Spaziergang über die glatten Weiher und Wege des Grossen
Tiergartens dick verpackt in Pelze, Mützen, Leder, und Mäntel wagten, und sogar
einige wenig beeindruckbare, unerschrockene Jogger eher leichtfüssig beschuht
ihre Freude daran zu haben schienen, über die blanken Eisflächen zu schliddern, wo ich selber vorsichtig genug jeden Tritt
genauestens und sicher zu setzen versuchte, und doch einige Male ausrutschte -
und war damit nicht der Einzige, der unsanft die Perspektive wechselte.
Ein anderer kam
ungesund schnell mit seinem Fahr angeradelt, klingelte wie der Teufel, rief
noch ungestüm "Platz da!" - und rutschte dann krachend in den Graben,
wo wir ihm unverletzt die Hände in die eisige Wirklichkeit reichten, ihn wieder
aufrichteten, den nun etwas Kleingeläuterten, der sein Rad zur Stütze schob,
und seine Wege beschämt durch den Wald von dannen zog.
Auf einer
verschneiten Lichtung sang und tanzte eine Gruppe junger Mädchen ihren
frostigen Reigen, bestaunt von dazugehörigem staunenden Mannsvolk, die
klatschten, und sich freuten.
Den Vogel schoss
jedenfalls jener Geselle ab, der die ersten zaghaften Sonnenstrahlen irrtümlich als den lang ersehnten Hochsommer
deutete, sich daher aller vermeintlich unnützen Pullover und Schals entledigt
hatte, und so bestaunt wie bewundert tatsächlich
ohne Furcht vor Frostbeulen sich in kurzen Hosen und leichter Bekleidung es
wagte, sich der flanierenden Öffentlichkeit zu zeigen.
Zwar liess er sich
sein Bibbern und Zittern aus Stolz und Überzeugung wohl
nicht anmerken, doch ging er zielstrebig seinen Weg - wohl
in Richtung seiner warmen Wohnung, um seinen Irrtum noch einmal zu
überdenken.---
Vorsichtig und bedächtig
vorwärts fühlend, ging ich weiter
meine Runde, und passierte endlich jene Waldwiese, wo sich vor einigen Monden
Obdachlose vieler Länder ihr Dorf
aus Zelten, selbst gebastelten Vorratskammern, und roh gezimmerten Unterständen
gegründet hatten.
In der
gespenstischen Stille eines kalten Wintertages zeigte sich dort nur zaghaftes
Treiben, einige Gaskocher und amtlich verbotene Feuerstellen (Grillen ist
untersagt!) zeugten von unterkühlten,
dick verpackten Menschen, deren Hände jenen Zaubertrank zubereiteten, der Seele
und Körper und Geist verlorenes Leben einhauchte, und vor dem schändlichen
Erfrieren bewahrte: Tee mit oder ohne "Schuss", handelsübliche
Beutel, oder Blätter der kargen Büsche ringsumher bildeten Grundbestand der kargen
Suppe.
Ich kreuzte die
Siedlung, bemerkte unter einigen aufgespannten Plastikfolien und Pappe und Müll
sich leise, zaghaft sich regendes Leben.
An einem kleinen
Reisigfeuer starrte ein älterer Herr in die Flammen; zu genau ihm gesellte ich
mich, grüsste, doch antwortete er nicht, keine noch so winzige Bewegung zeugte
davon, dass er mich überhaupt bemerkte.
Jedenfalls rieb ich
meine klammen Finger über den züngelnden Flammen, und liess mich dazu in die
Hocke nieder.
Nachdem ich
allerdings auf verschiedenen Sprachen vergebens versucht hatte, mich nach dem
Wohlbefinden meines Gegenübers zu
erkundigen, und dieser Herr sich schliesslich
wortlos und blicklos sein Gebräu in eine Konservenbüchse füllte, schaute ich
mich schliesslich nach anderen,
vielleicht auskunftsfreudigeren Gesprächspartnern um.
Etwas abseits der
meisten Zelte und selbst gebauten Verschläge
stand ein herausragendes Zelt, aus braunem, festen Tuch, dass durch Höhe,
Bauart, Stil, und Material die anderen Gebilde überragte.
Dorthin begab ich
mich.
Da seine "Eingangstüren",
oder besser: Vorhänge - lose flatterten, und einen Spalt ins Innere
freiliessen, versuchte ich neugierig, aber mit allem gebotenen Respekt, einen
Blick zu erhaschen, zumal niemand sonst im Lager sich für ein Gespräch
empfänglich zeigte - klar, bei diesen Minus-Temperaturen hüllt und mümmelt sich
jeder und jede in so viele Decken und Zeitungen und Moos wie möglich ein, um
nicht zu erfrieren: Eine ernste Gefahr.
Ich erschrak, als
aus der Jurte jemand rief: "Kukuk -
Krächzkrak - Iaaa!", und mit diesem Kinderruf gleichsam die Luft vor
mir zerteilte.
Als ich mich nun im
Lager umschaute, war noch immer keine besondere Regung zu erkennen, aber es ertönte
wieder der seltsame Ruf:
"Kukuk - Krächzkrak - Iaaa!"---
Mit einem Seufzer
des Mutes schob ich den Vorhang zur Seite, um zu erkennen, ob das ein Kind sei,
das da immer rief: "Kukuk -
Krächzkrak - Iaaa!"
Vor dem Eingang war
ein weiterer Vorhang gespannt, der so ähnlich aussah wie schwerer Brokat.
"Kukuk - Krächzkrak - Iaaa!"---
An diesem vorbei
schob ich mich vorsichtig ins Innere, natürlich nicht, ohne meine Stiefel
abgetreten zu ahben, wie es sich gehört.
Drinnen verschlang mich sofort eine diffuse Dämmerung; nachdem
sich meine Augen daran gewöhnt hatten, staunte ich nicht schlecht: Eine Lagerstatt entlang der rechten Wand,
einige schwere Decken und Teppiche, sauber gefaltet und hergerichtet; niemand
schien dort zu ruhen.
Gegenüber des
Eingangs erkannte ich eine prächtige Kommode; zwischen dem "Bett" und
der Kommode war noch eine stabil wirkende Holztruhe eingepasst.
Auf der Truhe
lächelte mich mit seiner frechen Fratze ein Totenschädel an; Puh!, dachte ich, und machte ich.
Nun schien es so,
als schimmerte etwas aus den leeren Augenhöhlen,
ein fahles Licht, dass sich im ansonsten
geräumigen Zelt verbreitete.
Ja, es war
einigermassen geräumig, zumindest etwas grösser, als es von Aussen überhaupt den
Anschein gemacht hatte.
Es raschelte, und es
klang wie das Rasseln einer Eisenkette, und ich sah auf einem ziemlich hohen
Ständer oder Kletterbaum zu meiner Linken einen - Papagei! -, der sich dort
oben über meinem Kopf unruhig regte, und seine Federn putzte.
"Krächzkrak, da bist Du!", rief er
mir zu. Zuerst war ich erschrocken, aber nun war ich wirklich verwirrt; doch er
sah mich mit geneigtem Köpfchen an, und wiederholte: "Krächzkrak, Du bist da!"
Ein sprechender
Papagei! Mir wurde in diesem Moment bewusst, dass es in dieser Wohnung wohlig warm war, und ich lüftete meinen Wintermantel.
Ich war auf einen
sprechenden Papagei hereingefallen!
Nun, da ich annahm,
es gehöre sich so, grüsste ich ihn: "Hallo,
gefiederter Freund!"
Er scharrte dabei
beschäftigt mit seinen Krallen an der Kette, als wolle er sich davon befreien.
Doch wieviel erstaunte ich, als er mich wieder grüsste: "Da bist Du! Ich habe Dich erwartet. Sei mein Gast, und mach es Dir bequem auf den
Kissen", wobei er mit seinem Schnabel in Richtung des
"Bettes" deutete.
Kaum hatte ich es
mir bequem gemacht, denn ich war durchaus geneigt, dieses Abenteuer ein
Weilchen mir zu Gemüte zu führen, schob jemand von Aussen den schweren Vorhang
zur Seite. Es war derselbe Mann, der draussen so wortlos am Feuer gesessen
hatte; ich sprang auf, doch bedeutete er mir mit einem freundlichen Wink, zu
bleiben. Auf den flauschigen Teppich zu meinen Füssen legte er ein Holzbrett
mit höchst unwirklichen Schnitzereien und Ornamenten, die ich in ihrer
vielgestaltigen Kunst nicht annähernd mit Worten beschreiben könnte, so
aussergewöhnlich waren sie in Form und Detail, so einladend, und so extrem
beglückend beim genauen Betrachten.
Darauf stellte er
eine dampfende Tasse seines Gebräus, und verliess uns so wortlos, wie er kam,
nicht ohne den Ausgang sorgsam zu drapieren, damit kein kalter Hauch uns
berühre, und unser Stelldichein störe.
Ich war also
eindeutig Gast, und staunte über alle Massen, und roch an meinem Gebräu,
welches verlockend nach frischen Kräutern roch und dampfte. Überhaupt wurde mir
bewusst, wie angenehm es hier duftete - ein sinnlicher, nicht übertriebener
Duft, den ich noch nirgends gerochen hatte, wenn ich so sagen darf (schliesslich bin ich weit umher gereist).
"Krächzkrak, Freund, fühle
Dich wohl!"
Der angenehme,
würzige Duft, die sanfte Dämmerung, und die wohlige
Wärme halfen mir, ich atmete tief ein, und entspannte: Die Dinge sind, wie sie
sind.---
Doch damit nicht
genug des aller Wirklichkeit zum Trotz dem Fremden spottenden Spuks! - Während
mein neuer, grüngelbrot gefiederter Freund sich fein geschäftig heraus putzte,
und mich dabei an und ab mit einem flüchtigen Augenblick bedachte, erklang wie
von Geisterhand gespielt eine kleine Laute, die ich bisher oben auf der Kommode
gar nicht wahr genommen hatte. Die Laute erklang sehr leise, obwohl niemand zupfte, und doch meinte ich im Schatten
ihre vibrierenden Saiten erkennen zu können.
Ich beugte mich über
mein Getränk, während ich nochmals versuchte, die fremden geschnitzten Zeichen
des Brettes in irgendein mir bekanntes Muster einzupassen, gab es aber
vergebens nach einer Weile auf, und liess diese komplett unwirkliche Stimmung
einfach wirken.
Die Töne konnte ich
ebenfalls keiner mir bekannten Tonart zuordnen - und doch klangen sie so sehr
vertraut und innig, dass ich meinte, sie irgendwo in fernen Kindheitstagen
verorten zu können.
Ihre Melodiebögen
schienen derweil unterstützt von einzelnen Harfentupfern, was ihre Wirkung
ungemein entfachte; rings um mich jedoch konnte ich nirgends eine Harfe
erspähen. Da der Klang sich wie die übrige Stimmung restlos und äusserst
angenehm um mich herum verteilte, dachte ich schliesslich
nicht weiter über ihren Ursprung nach.
Jedenfalls war die
Tonart keiner der bekannten 72 Ragas des Melakarta entnommen, noch ein alter,
arabischer Maquam, kein griechischer oder mozarabischer oder byzantinischer
Kirchenton, noch eine deren mittelalterlichen Transpositionen, keine Pentatonik
aus fernsten Urzeiten, keine Heptatonik, keine fernöstliche Weise, keine
schamanistische Magie oder mir bekannten Ritus entnommen und entlehnt, nichts
der Dinge, die ich lange, lange studiert hatte.
Auch der Rythmus war
nicht einfach zu fassen, obwohl er
eigentlich eingängig war, und doch so schwer zu bändigen: Er schien geradezu
nach einem mir geistig überlegenen Modus oder höherem Zyklus zu verlaufen, und
war doch nicht fremd, im Gegenteil: Puls und Atem und Herzschlag schlugen
mit dem All in dieser Wirklichkeit Eins, und es erfüllte mich von Innen.
Ich schwieg noch
eine Zeit, lauschte, während ich an meinem wunderbaren Tee nippte.---
Mit den verwelkenden
Momenten füllte sich mein Herz mit erstarkendem Vertrauen, erst ungewohnt, man
muss es zulassen, doch füllte es mich nach und nach mit solch berstender
Zuversicht und Glauben und nimmer verzagender Energie aus, dass ich nicht
anders konnte, als meinem neuen, grüngelbroten Freund meine darüber
unbeschreibliche Freude mitzuteilen, da er ja offenbar nicht nur sprechen,
sondern auch zu Denken vermochte.
Unglaublicherweise
erriet er meine Gedanken, und nahm mir quasi die fehlenden
Worte aus dem Mund: "Ich weiss, Du
fühlst Dich wohl.
So soll es sein, mein junger Menschenfreund.Denn gar selten verirrt sich ein
Menschlein in unseren feinen Ort."
"Wie ... Woher ... Wer bist Du? Wer seid Ihr
geheimnisvolles Volk?", stammelte ich verlegen.
"Hüte Deine Zunge, mein Menschenfreund, und
stelle nicht so viele unnütze Fragen. Du befindest Dich an einem Ort der
Weisheit und des Wissens. Wir sind Reisende, wir ziehen durch Zeit und Raum.
Arm sind wir an Waren, doch reich an Wissen. Undenkbare Äonen beobachten wir
die Welt und ihr Geschehen.
Hüte Deine Zunge, wähle
Deine Worte wohl - denn Du bist
geladen, eine Antwort auf eine Dich bedrückende Frage durch meinen Mund
..." - er räusperte
sich - "... äh ... Schnabel zu
erhalten."
Mit letzterem zupfte
er sich abermals das Gefieder unter seinen Schwingen zurecht, indes ich
glaubte, verstanden zu haben, um welche Wahrheit es hier ging.
"Ja, genau..." - wieder erriet er
meine Gedanken, und schaute mich sehr ernst seitlich aus einem Auge an, dass,
als ich seinem Blick begegnete, so uralt, unbeschreiblich alt erschien.---
Tja, eine Frage, die
mich bedrückt hätte? Ich überlegte hin und her, während mein Freund auf seinen
Füssen ebenfalls hin-und-her hampelte, wobei er mir wohl
meinend riet: "Du hast Zeit."
Mir war angesichts
dieser unwirklichen Zustände und Begegnungen bewusst, dass ich ehrlich sein
sollte, und offenbar eine mich beschäftigende oder belästigende Sache auf ewig
klären könnte.
Wann wird die Welt
vergehen?
Wie lange wird die
Menschheit noch sein?
Gibt es Leben nach
dem Tode?
Gibt es einen Gott?
Oder wie wäre es mit
den Lottozahlen der kommenden Woche?
Etliche anstrengende
Fragen zogen vorüber; ich nahm sie mit meinem geistigen Auge an, betrachtete
sie von allen Seiten, schob sie zur Seite, und zog weiter.
Plötzlich erinnerte
ich mich an den Zettel in meiner Tasche, und den eigentlichen Grund meines
Spazierganges, um meine Glückwunschworte noch einmal zu überdenken.
Mit ruhiger, aber
entschlossener Stimme sprach ich
meine Frage in den Raum: "Ist wahre
Liebe das Geheimnis der Ewigkeit?"
"Wohl
hast Du Deine Worte bedacht, Junge", lobte mich der bunte Vogel. "Lausche und merke meinen Spruch als Antwort Deiner Frage, die nicht nur
Dich bewegt."
Es schien, als wolle
er sich feierlich aufrichten, und der Situation eine besondere Bedeutung mit
stolzer Haltung verleihen, während die Musik inzwischen verklang und verhallte.
Bange Momente
erwartete ich gespannt die Antwort des Orakels, dem ich so unverhofft begegnet
war.
"Nun denn, es kann losgehen, wir sind bereit",
sprach er von sich und den Seinen, und er legte endlich los:
"Wie so manches vergeht,
Wo
wahre Liebe bleibt,
über
Irrungen und Wirrungen hinweg
bis
zum Ende aller Zeit.
Seelen sind über Urgründe hinweg ..." - - von draussen ertönte schrill und
grell ein ohrenbeteubender Lärm, als würde ein UFO landen, und übertönte und
zerstörte brutal die Rede meines Freundes, dann hob ein ebenso hysterisches,
schrilles, grelles Lachen an, welches durch Mark und Bein drang, und durch ein
Megaphon verzerrt war eine Frauenstimme zu vernehmen:
"Achtung!
Hier spricht das Ordnungsamt! Dieses Lager wird geräumt! Sie haben 10 Minuten zur
Räumung!"
Wieder lachte die
Frauenstimme ihr widerliches Lachen, das auch ohne Verstärker alle Menschen
guten Glaubens unzweifelhaft von der Schlechtigkeit
der Welt überzeugen musste.
Der Papagei sprach
nicht weiter, sondern flatterte aufgeregt die kurze Spanne umher, die die Kette
ihm bot, wobei einzelne Federn umher schwirrten.
Ich winkte ihm
dankbar zu, ermutigend, entschuldigend, wollte mich erkenntlich zeigen für sein
"Geheimnis aller Geheimnisse", doch gelang es mir trotz mehrfacher
Bemühungen nicht mehr, einen sinnlichen Kontakt zu dem grüngelbroten Wesen
herzustellen - wo doch die Rede noch gar nicht beendet war!
"Kukuk - Krächzkrak - Iaaa!"
widerholte er heiser immer wieder, und schien mich vor Aufregung nicht weiter
zu beachten. Schande! Ich war doch so kurz davor, aus seinem Schnabel die
Lösung aller Rätsel zu erlangen, sozusagen die Weltformel!---
Ich schob die
Vorhänge am Ausgang beiseite, und trat gebeugt nach draussen, wo ich erst
einmal von Sonnenstrahlen und
eiskalter, klarer Luft geblendet wurde.
Vor mir auf dem
dreckigen Schnee und fest getrampelten Eis und Erde erkannte ich schwere,
schwarze Stiefel, dazu eine Uniform, eine Mütze, eine Person von Wichtigkeit -
ein Polizist baute sich vor mir auf, und brüllte: "Po-Polizei" D-Die A-Ausweise ma bi-bidde!"
Ich kramte verlegen
in meinen Taschen, konnte aber nur den Zettel mit den Grüssen finden. Diesen
riss der Mann mir aus der Hand, und befahl:
"Wa-Warten!", während er
durch den Schneematsch zu einem Einsatzwagen schlurfte,
wo er inmitten einer Menge Kollegen an einem Funkgerät hantierte.
Auf einmal war hier
hektisches Treiben, überall sammelten sich unrasierte, hungernde Gestalten in
Fetzen und zusammen geflickten Klamotten ihre Siebensachen, während die Tante
vom Ordnungsamt, wohl die Einsatzleiterin,
weiterhin ihr überflüssiges, schrilles, nervendes Lachen aufführte. Die
Polizisten waren indes anscheinend damit beschäftigt, alle Personalien
aufzunehmen, und die zahlenmässig
überlegenen Ordnungsbeamten zerstörten mit finsteren Mienen die illegal
errichteten Unterkünfte und Behausungen.
Noch während dieses
alles geschah, trat der Popolizist wieder an mich heran, reichte mir den
zerknüllten Zettel, und sprach: "A-Alles
klar. Sind frei!"---
Was war das? Nach
meinem Namen wurde gar nicht gefragt; auf dem Zettel standen nur meine
gekritzelten Glückwunschworte. Was hatte er damit wohl
über Funk ermittelt?
Ich wollte noch protestieren,
denn es handelte sich hier um arme Menschen, und um ihre Wohnungen; Wohin
sollten sie denn ziehen? Aber der Popolizist befahl
nur verächtlich: "Und ab!"
Aus der braunen
Jurte meinte ich wie aus einer fernen Welt den Papagei zu hören: "Krächzkrak - Iaaa!"
Ich verliess
entmutigt dieses Durcheinander, und zog eilig zu meiner Wohnung. Dort sammelte
sich ein riesiger Stapel Post und Briefe; auch bemerkte ich eine feine
Staubschicht auf den von der Sonne liebkosten Fensterbänken. Die Blumen waren allesamt
verwelkt und verloren. Wie konnte das geschehen sein?
Kalt war es
inzwischen überhaupt nicht mehr.
Ich klopfte gegenüber
bei meinen netten spanischen Nachbarinnen, doch es öffnete nach einer Weile
eine unbekannte, zahnlose, nach billigem Fusel stinkende Alte, die, als sie
irgendwann genervt die Türe ins Schloss
warf, das selbe irre Lachen lachte, dass vorhin auch die Ordnungsamtstante so
schrecklich aufgeführt hatte.
Es stellte sich
heraus, dass in der braunen Jurte nicht nur die tatsächlich
gefühlten Minuten und Stunden
vergangen waren, sondern wahrlich Wochen und Monate, geheimnisvoll und
mysteriös.
Für meine derart
verspäteten Glückwunschworte entschuldige ich mich, und hoffe weiterhin auf
Eure nächste Hochzeit in jüngst möglicher Gesundheit und ewig treuer Liebe.
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