Lange
hatte ich seinerzeit in indischen Archiven nach einer Ausgabe der
Oriental Music in European Notation von
Chinnaswami
Mudalyar aus
dem Jahre 1893 gefahndet und konnte sie nun endlich im Internet
studieren – Technik und viel Zeit machen es möglich.
Die
Ausgabe - Ziel
erreicht – ist teilweise unleserlich, aber meist gut zu
ergänzen. Wer bereits unter tropischer Sonne an alten Manuskripten
oder Büchern gearbeitet hat, wird dies kennen.
Gemäß
meiner Gepflogenheit machte ich mich zwecks Kennenlernens daran,
sämtliche Kompositionen zu Transkribieren.
Aus
dem reichhaltigen Fundus damaliger zeitgenössischer Musizierpraxis –
mitsamt kleinster Veränderungen in einem Zeitalter vor
Reproduzierbarkeit der Musik mühsam notiert! - ragen 2 Stücke
hervor, über die ich im Folgenden wegen ihres besonderen Interesses
berichten möchte.-
Es
handelt sich um Werke im Raga
Do
– im ersten Fall ist es C-Dur, im zweiten Fall c-Moll.
Der
Form nach könnte man die Beiden als Rondeaux
mit Couplets
bezeichnen.
Vom
musikalischen Inhalt her möchte ich erwähnt haben, dass sie ohne
Modulationen auskommen. Mehrfach im Band versucht der Autor, den
Unterschied zwischen orientalischen, exotischen, und europäischen
Gepflogenheiten zu erklären, und führt verschiedentlich Beispiele
an.
Die
meisten Stücke des Buches sind für Gesang mit Text in Englisch,
Sanskrit, Telugu, oder Latein notiert, einige auch ausdrücklich für
1 bis 2 Violinen. In der Sammlung befinden sich auch etliche
religiöse Lieder der berühmten Komponisten Tyagarajaya
(1767
– 1847)
und
Muthuswami
Dikshita
(1775 – 1835). Beide entstammen der südindischen Schule. Einige
Ragamalikas
durch
mehrere Ragas vergleiche ich mit einem Allegro
durch alle Töne,
das lange Zeit hindurch Johann
Sebastian Bach zugeschrieben
wurde, oder ähnlicher Musikalischer
Labyrinthe.
Beim
2ten Stück in c-Moll hat es sich der Komponist zum Ziel gesetzt,
Phrasen oder Takteinheiten jeweils vorwärts und anschließend
rückwärts zu spielen; notiert ist das mit RECTE ET RETRO. Das
gilt übrigens auch für die Worte, die in Sanskrit, Latein, und
Englisch wiedergegeben sind, was in der Übersetzung den kuriosen
Wortwechsel zwischen Adam und Eva ergibt:
(Der
erste Mann stellt sich selber der ersten Frau vor)
Latein:
EVA, AVE!
English:
Madam, I'm Adam!
Diese
Kunst des RECTE ET RETRO wurde im Tamil seinerzeit oft
angewandt, und artete in kunstfertige Stilblüten aus.
Von
der musikalischen Technik könnte man es mit dem Charakterstück
L'Einschnitt von Carl Philip Emanuel Bach vergleichen,
wo jede neue Phrase mit dem Schluß der vorhergehenden beginnt.
Vom
Gehalt her braucht es einen Vergleich mit den Rondos eines Ludwig
van Beethoven durchaus nicht zu scheuen.
Aus
diesem Grunde arbeite ich an einer Version auch für
Clavierinstrumente, um diese seltene Kunst zeitgenössischen
Künstlern ans Herz zu legen.
In
diesem kurzen Artikel teile ich jedoch nur meine einstweiligen
Transkription für Melodieinstrumente mit: Violine, Flöte, Santur,
Harmonika …
Die
Phrasierung ist eigenwillig, da sie immer auf dem Atem des Gesanges
beruht.
Es
handelt sich um die #159 und #161, #158 ist ein Beispiel in einem
Raga, der F-Dur ähnelt.
Den
jeweiligen Notationen voran gehen stets Skalen mit den typischen
Wendungen.-
Die
TRANSKRIPTION kann hier angeschaut werden.